„Wir schaffen das schon“ Warum ERP-Projekte mehr brauchen als guten Willen
- Stefan Radau
- 19. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 15. Sept.

ERP-Projekte: Warum Zeit der entscheidende Erfolgsfaktor ist
ERP-Einführungen laufen selten wie von selbst. Guter Wille allein reicht nicht aus – das erlebe ich jedes Mal, wenn ich in Projekte gerufen werde, die ins Stocken geraten sind. Meistens liegt es nicht an der Software. Auch nicht daran, dass die Mitarbeitenden nicht mitziehen. Das eigentliche Problem ist oft viel grundlegender: Es fehlt an Zeit, Struktur und klarer Verantwortung. Besonders spürbar wird das bei einer Rolle, die in jedem ERP-Projekt entscheidend ist – den Key-Usern.
10 Stunden pro Woche – wirklich genug?
Immer wieder taucht dieselbe Zahl auf: 10 Stunden pro Woche. So viel sollen Key-User laut Lehrbuch für das Projekt aufbringen. Klingt zunächst machbar. In der Praxis zeigt sich aber schnell: Diese Zeit reicht höchstens für das Nötigste. Wer mitten in einer Einführung steckt – mit Iterationen, Tests, Fehlermeldungen und Schulungen – weiß, dass 10 Stunden kaum ausreichen, um das Projekt wirklich voranzubringen.
Was Studien und Praxis zeigen
Zahlen von Onboard ERP, KPC Team und Cavallo Consulting empfehlen zwar rund 25 % Arbeitszeit für Key-User – also etwa 10 Stunden pro Woche. Auf dem Papier klingt das vernünftig. In der Realität, vor allem im Mittelstand, liegen die Anforderungen jedoch deutlich höher. Erfahrungsgemäß sind 20 bis 30 Stunden pro Woche notwendig – und das nicht nur kurzfristig, sondern regelmäßig in den intensiven Phasen: beim Testen, in Trainings, bei der Datenmigration oder kurz vor dem Go-Live.
ERP-Einführungen dauern in kleinen und mittleren Unternehmen meist 12 bis 18 Monate. Das ist ein Zeitraum, in dem die Key-User-Rolle konsequent eingeplant sein muss – und eben nicht „nebenbei“ erledigt werden kann.
Warum 10 Stunden fast nie reichen
Die Annahme, dass Key-User ihre Aufgaben neben ihrem Tagesgeschäft stemmen können, ist eine der größten Fehleinschätzungen. Besonders kritisch wird es bei Tests und Konfigurationen, wenn Rückmeldungen gegeben, Dokumentationen erstellt und Prozesse hinterfragt werden müssen. Auch in Schulungen und beim Rollout sind Key-User zentrale Multiplikatoren, die Kolleginnen und Kollegen anleiten, begleiten und unterstützen – ein Wissenstransfer, der viel Zeit kostet. Hinzu kommen aufwendige und fehleranfällige Datenmigrationen, die sorgfältige Prüfung erfordern. Gleichzeitig läuft das Tagesgeschäft für die meisten Key-User weiter, was unweigerlich zu Überlastung führt.
Folgen einer Fehleinschätzung
Wenn die Rolle unterschätzt wird, kommt es fast zwangsläufig zu Verzögerungen, weil Testläufe länger dauern und Fehler spät erkannt werden. Auch die Qualität leidet: Schulungen bleiben oberflächlich, Systemwissen lückenhaft. Die Kosten steigen, da Probleme später und mit größerem Aufwand behoben werden müssen. Und nicht zuletzt wirkt sich die dauerhafte Überlastung auf die Motivation aus – überforderte Key-User gefährden nicht nur das Projekt, sondern auch die Teamstabilität.
Kein Zufall also, dass ERP-Projekte im Schnitt rund 79 % länger dauern als geplant. Einer der Hauptgründe sind fehlende Ressourcen auf Kundenseite.
Was erfolgreiche Projekte anders machen
Aus meiner Erfahrung in Konzernen und im Mittelstand zeigt sich klar: Erfolgreiche Projekte planen die Zeitbudgets der Key-User von Beginn an realistisch und verbindlich ein. Die Rolle wird nicht „nebenbei“ vergeben, sondern klar benannt, abgestimmt und intern kommuniziert. Intensivphasen wie Tests, Migrationen und Go-Live werden im Voraus markiert und mit zusätzlichen Ressourcen hinterlegt. Durch Transparenz in der Zeiterfassung wird sichtbar, wo Engpässe entstehen, und Führungskräfte werden früh sensibilisiert, dass Projektarbeit kein Nebenjob sein darf.
Fazit: Key-User brauchen Freiraum
Eine ERP-Einführung ist weit mehr als ein IT-Projekt. Sie betrifft Prozesse, Entscheidungen und vor allem Menschen. Key-User sind dabei das Rückgrat. Wer ihnen nicht genug Zeit einräumt, riskiert Fehler, Frust und unnötige Kosten. Mein Rat: Planen Sie realistisch – und investieren Sie in das, was den Unterschied macht – Zeit und Verantwortung.
Lassen Sie uns sprechen
Ob Sie am Anfang stehen oder bereits mitten in der Einführung sind: Wir unterstützen Sie dabei, Zeitbudgets realistisch zu planen, Rollen klar zu definieren und Ihr Projekt auf Erfolgskurs zu bringen – als Projektleiter, Coach oder Spezialist im Stammdatenmanagement.


