Digitalisierung ist kein Tool, sondern ein Prozess
- Stefan Radau
- 22. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Aug.

Warum ERP-Systeme allein noch keinen Wandel bringen – und was wirklich zählt.
Wenn der Werkzeugkasten nicht reicht
Immer wieder höre ich von Geschäftsführern: „Wir haben doch ein ERP System eingeführt – warum läuft es trotzdem nicht rund?“ Oder: „Unsere Software kann alles – aber die Mitarbeiter nutzen sie kaum.“
Die Wahrheit ist einfach – aber unbequem: Ein ERP-System löst keine Probleme. Es zeigt sie nur. Digitalisierung beginnt nicht mit einem Tool. Sie beginnt mit einem Verständnis dafür, was sich verändern muss – und wie.
In meiner Arbeit als Projektleiter erlebe ich genau das: Unternehmen investieren in Software, Schnittstellen und Lizenzen – aber der eigentliche Hebel liegt woanders. In Prozessen. In Klarheit. Und im Miteinander.
1. Digitalisierung ist kein Projekt – sondern eine Haltung
Viele sehen die Einführung eines ERP-Systems als Meilenstein. Als wäre nach dem Go-Live plötzlich alles digital. Dabei ist der Go-Live bestenfalls der Startpunkt – und oft sogar ein Stresstest.
Digitalisierung heißt: Arbeitsweisen verändern, Verantwortung neu verteilen, Entscheidungen transparent machen. Es geht nicht nur um das Womit – sondern vor allem um das Wie.
Ein Beispiel aus einem Projekt im Produktionsumfeld: Das Unternehmen wollte „digitaler“ werden, hatte aber keinen definierten Prozess zur Rückmeldung von Fertigungszeiten. Ergebnis: Trotz ERP blieb die Nachkalkulation ungenau, Entscheidungen wurden weiter „aus dem Bauch“ getroffen – das System war installiert, aber der Prozess nicht durchdacht.
2. Wer Prozesse nicht kennt, kann sie auch nicht digitalisieren
Eines der größten Missverständnisse ist: „Wir kaufen die Software – und passen sie dann an unsere Abläufe an.“
Doch was, wenn diese Abläufe selbst nie sauber dokumentiert, verstanden oder hinterfragt wurden?
Digitalisierung ohne Prozessklarheit führt zu Anpassungsexzessen: Workarounds, Sonderfälle, Excel-Zwischenlösungen. Und am Ende ein System, das alles kann – aber nichts vereinfacht.
Ich empfehle deshalb: Prozesse zuerst. Software danach.
Bevor ich in ein Projekt starte, stelle ich einfache Fragen:
Wer macht was – wann – und warum?
Wo entstehen Medienbrüche?
Welche Informationen fehlen für gute Entscheidungen?
Diese Klarheit ist oft mehr wert als jede Lizenz.
3. Standard schlägt Individualität – wenn man es ernst meint
Viele Unternehmen glauben, sie seien „zu speziell“ für Standardprozesse. Ich sehe das anders. In 90 % der Fälle liegt die Abweichung nicht in der Komplexität des Geschäfts – sondern in fehlender Struktur oder historisch gewachsenen Gewohnheiten.
Ein ERP-System wie Comarch bietet viele Möglichkeiten – aber gerade das kann gefährlich werden. Denn jede Individualisierung ist teuer. Nicht nur in der Entwicklung – sondern in der Wartung, der Schulung und im späteren Upgrade.
Mein Ansatz: Ich hinterfrage, wo wirklich Individualität gebraucht wird – und wo Standard Prozesse schneller, sauberer und stabiler macht.
Beispiel aus dem Großhandel: Der Kunde wollte ein individuelles Bestellformular mit zig Pflichtfeldern. Nach einem Workshop zur Prozessoptimierung einigten wir uns auf einen Standardprozess mit klaren Defaults – schneller, günstiger und einfacher zu schulen.
4. Digitalisierung braucht Menschen, keine Superuser
Es gibt in jedem Projekt diese eine Person: die ERP-Beauftragte, der Superuser, der alles weiß. Und auf dem alles lastet.
Das funktioniert – bis es nicht mehr funktioniert. Wenn diese Person ausfällt, geht gar nichts mehr.
Nachhaltige Digitalisierung bedeutet: Wissen verteilen, Verantwortung klären, Prozesse teamfähig machen. Das ERP-System muss von vielen getragen werden – nicht von einem.
Ich achte deshalb in Projekten darauf, dass Schulung, Dokumentation und Rollenklarheit früh beginnen – nicht erst kurz vor dem Go-Live. Und dass alle Beteiligten verstehen, warum wir Dinge tun – nicht nur wie.
5. Digitalisierung beginnt beim Zuhören
Einer der meist unterschätzten Erfolgsfaktoren: Zuhören. Nicht die Softwarelösung vorgeben – sondern verstehen, wo die eigentlichen Engpässe liegen.
In vielen Projekten beginne ich mit Interviews oder kurzen Workshops – nicht mit technischen Anforderungen, sondern mit offenen Fragen:
Wo hakt es im Alltag?
Welche Arbeitsschritte wirken unnötig?
Was raubt den Mitarbeitenden Energie?
Erst daraus entsteht ein klares Bild: Welche Prozesse brauchen wirklich Veränderung? Welche Daten fehlen? Wo liegt die eigentliche Reibung?
So entsteht ein Projekt, das getragen wird – nicht nur gemanagt.
Fazit: Digital wird es erst, wenn es menschlich wird
Ich bin kein Freund großer Schlagworte. Digitalisierung ist für mich kein Trend – sondern Handwerk. Und das beginnt mit Klarheit: über Prozesse, über Menschen, über Ziele.
Ein ERP-System wie Comarch ist ein starkes Werkzeug. Aber wie bei jedem Werkzeug kommt es darauf an, wer es nutzt – und wofür.
Wenn Sie als Geschäftsführer oder Projektleiter gerade überlegen, wie Sie Ihr Unternehmen wirklich digitaler machen – dann stellen Sie sich nicht nur die Frage nach dem Tool. Sondern nach dem Prozess, den Sie gestalten wollen.
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